Ist Autismus eine Behinderung?

Seit einem Jahr besteht mein Wunsch, ein Buch über Autismus zu verfassen. Und vor einem Jahr war ich noch optimistisch, und dachte, das klappt irgendwann, und habe mit einem Buch angefangen. Ich habe aber nicht weitergeschrieben, da ich dachte, wenn dieses Buch nie rauskommt, habe ich mir die Arbeit umsonst gemacht. Aber ja. Das erste Kapitel des Buches (oder des langen Textes) heisst „Ist Autismus eine Behinderung?“

„Warum mag ich Skirennen lieber als Fussball? Weil es mehr Statistiken gibt. So fangen wir irgendwo in den Weiten des Autismus-Spektrums an und enden auch irgendwo in dieser endlosen Strasse voller Unglaublichkeit und Vielfalt.

1% dieser Welt haben Autismus. Es wird oft gesagt, dass Autismus eine Behinderung wäre. Offiziell ja. Aber ich finde, das trifft nicht genau in das Richtige. Denn Autismus soll eigentlich nicht behindernd sein. Es gibt Hindernisse, aber das Leben ist sowieso ein stetiger Hürdenlauf, ob Autismus oder nicht. Und Autismus soll – so oder so – nicht in einen Topf gesteckt werden. Wenn schon, als Ratatouille. Nicht, dass jetzt Leute meinen, mit Autismus Betroffene soll mal mit dem Kopf voran in den Topf stecken und danach kochen. Nein, ich meine das umgangssprachlich.

Diese sprachliche Hürde habe ich auch häufig, dass ich manchmal einfach Sprüche, die ich noch nie gehört habe, ernst nehme. Beispiel: «Der hat aber eine Meise. ‘Was? Ich hatte gedacht, der hätte einen Wellensittich.’ Ich sehe das aber nicht unbedingt als Nachteil. Denn es braucht Leute, die darauf aufmerksam machen, dass man auch aufpassen muss, was man sagt, egal ob unverständlich oder verletzend. Weil es gibt viel zu viele Leute, die nicht nachdenken, wenn sie etwas sprechen, und dann etwas sagen, was man als Vorwurf oder Beleidigung interpretieren kann, auch wenn sie es nicht unbedingt so meinen.

Aber jetzt geht es weiter mit Autismus und Behinderung. Ich habe ja damit angefangen, dass Autismus keine Behinderung wäre, und damit will ich auch weiterfahren.

Auch Beeinträchtigung soll nicht der korrekte Überbegriff für Autismus sein. Denn man soll Autismus als Geschenk sehen, weil es ist sehr nützlich, automatisch auf Details achten zu können und etwas anderes bei Mitmenschen zu sehen als das Typische, das jeder sieht. Tony Attwood sagt, Autismus wäre eine Entwicklungsstörung. Das trifft es, finde ich. Es ist ein sehr fachlicher und korrekter Überbegriff für Autismus.

Ich frage mich, warum Leute Dinge kritisieren, von denen sie gar nichts wissen. Zum Beispiel bei Autismus: Es gibt immer noch sehr viele Leute, die nichts von Autismus wissen oder bisher nur von politischem Autismus gehört haben. Und trotzdem sind sie gegen Autismus, und finden es unnötig (das trifft natürlich nicht auf alle zu!). In Harry Potter werden Reinblüter werden gegenüber Muggelgeborenen bevorzugt. In vielen Teilen der Erde werden Männer gegenüber Frauen bevorzugt. Das enttäuscht mich. Denn jeder auf dieser Welt ist gleich wert und soll auch gleich wert sein. Es soll nämlich nicht umgekehrt sein, die Waagschalen sollen auf gleicher Höhe sein.

Ich stelle mir die Frage: Wann ist es eine Behinderung? Ich meine, das Leben stellt einen vor lauter Hindernisse, die manchmal höher sind, als man sich eigentlich zutraut, und diesen Hürden könnte man Behinderungen sagen. Ein paar haben mehr, ein paar haben weniger. Aber wenn ich jetzt sagen würde: «Meine Tante hat viele Behinderungen», dann würde man meinen, sie hätte mehrere Behinderungen (wenn man den momentanen Begriff berücksichtigt). Das heisst, ich muss mit dem aktuellen Wort dafür auskommen. Schickt mir einmal eine Unterschrift zu, vielleicht mache ich einmal eine Initiative «Weg das Wort Behinderung!» oder so. Aber bis dahin könnte es noch ein paar Jährchen dauern.

Das Gleiche ist der Fall, wenn ich sage: «Er ist ein NT.» Ich verwende dieses Wort auf meinem Blog für die allgemeine Verständlichkeit, aber ich finde, man ist nicht neurologisch typisch, nur weil man keine Behinderung hat (Achtung, ich verwende in diesem Buch aber weiterhin das Wort «Behinderung», der Einfachheit wegen).“

Danke fürs Lesen, euer Clément.


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